Meine Bilder

Ein Essay des Künstlers Franz K. Opitz zu seinem gestalterischen Schaffen

Man glaubt gewöhnlich, mithilfe des Abzeichnens, genannt Naturstudium, zur Kunst zu gelangen.

Die Mittel und Wege, zu einer sogenannten naturgetreuen Abbildung zu kommen, sind das bekannte Messen und alle möglichen Hilfsmittel wie Perspektive, Anatomie, geometrische Hilfskonstruktionen, usw. Jede Art von Projektion setzt also einen festen Standpunkt voraus, von welchem aus das Objekt (Figur, Kopf, Raum usw.) angesehen und aufgenommen wird, ähnlich wie es die fotographische Kamera auch macht. Wenn sich also meine Zeichnung mit dem Glastafelbild vollständig deckt, dann müsste sie nach der landläufigen Auffassung richtig und also ein Kunstwerk sein. Was aber habe ich dann gegenüber der Fotografie mehr geleistet? Ist bildende Kunst Naturdarstellung und sonst nichts?

Nun heisst es, wir wollen ja nicht die fotographische Richtigkeit, sondern das Wesentliche, Charakteristische.

Einiges heben wir hervor, anderes lassen wir weg. Doch was ist wesentlich, was charakteristisch, und was ist nebensächlich? Es kann etwas für mich wesentlich sein, was es noch lange nicht für das Objekt zu sein braucht.

Also: die Natur verbessern wollen, da wo sie unklar ist, klar machen wollen und doch die Zeichnung mit dem Glastafelbild vergleichen, ist ein Widerspruch.

KUNST IST ABER NICHT ABBILD DER SICHTBAREN NATUR; SONDERN EIN SINNBILD, EIN SYMBOL. NICHT EINE ANSICHT DER NATUR, SONDERN MEINE ANSCHAUUNG ÜBER NATUR, MEINE DEUTUNG DER SICHTBAREN WELT! ICH STEHE ZU DER SICHTBAREN WELT IN EINEM SCHÖPFERISCHEN VERHÄLTNIS.

Nicht das zufällige der einmaligen Ansicht von einem bestimmten Blickpunkt aus, sondern die Verwirklichung meiner Vorstellungen von dem betreffenden Gegenstand (Baum, Strauch, Mensch, Tier), die ich mir durch vieles Ansehen desselben von allen Seiten, von unten und oben, gebildet habe. Die ganze Reihe der vielen Erlebnisse meines Gesichtssinnes bilden in meinem Bewusstsein eine Vorstellung der sichtbaren Welt und diese Vorstellung verwirkliche ich in einem sinnfällig klaren Gebilde. Meine Zeichnung soll also ein Dokument meines Denkens über eine grosse Reihe von Gesichtssinneserlebnissen sein.

Die Frage, ob richtig oder unrichtig ist nun in folgendem Sinn zu stellen: ist meine Zeichnung ein genaues Dokument meines Denkens, wenn ja, dann ist sie richtig und hinsichtlich meines Denkens: ist mein Denken logisch einheitlich?

Um diese Logik genau kennenzulernen, beginnen wir mit den ersten, frühesten Verwirklichungen, den Kinderzeichnungen:

Dieses formlose Gekritzel des Kindes, gewinnt in seinem Denken folgende Bedeutung: Es wird Ausdruck oder Verwirklichung für etwas Gemeintes, es wird Sinnbild für einen gemeinten Farbfleck, den es aus dem wirren Durcheinander der wechselnden Gesichtseindrücke festgehalten hat. Dieses Festhalten eines gemeinten Farbfleckens ist der erste Schritt, den das Kind tut in der unmittelbaren Verarbeitung der Erlebnisse des Gesichtssinnes.

Eines Tages wird der Farbfleck beispielsweise ein verzerrter Kreis.

Der Strich, der den Farbfleck umgibt, bekommt damit Bedeutung, einer Grenze zwischen dem gemeinten Farbfleck und der Umgebung. Auf diese grundlegende Denkbedingung:

EIN GEMEINTER FARBFLECK GRENZHAFT ABGEHOBEN VON SEINER NICHTGEMEINTEN UMGEBUNG, darauf baut sich alles künstlerische Denken auf.

In dem ersten Gekritzel ist von irgendeiner Richtung des Farbflecks noch nichts enthalten. Ebenso hat auch die Grenzlinie vorläufig noch keine bestimmte Richtung, sie schafft zunächst nur das Gemeinte gegenüber dem Ungemeinten. Eines Tages wird ein Gebilde wie Folgendes entstehen: Aus dieser Zeichnung (geordnete horizontale und vertikale Linien)können wir entnehmen, dass das Kind in seinem Denken über Gesichtssinneserlebnisse eine Stufe weiter gekommen ist. Es hat die Möglichkeit, innerhalb des gemeinten Farbflecks Richtungen zu unterscheiden. Dieser Gesamtfarbfleck bedeutet eine geistige Einheit, ein Zusammen richtungsunterschiedener Teile. «Dieser Baum» zeigt die Möglichkeit, innerhalb eines Gesamtfarbfleckens Teilfarbflecken zu denken, die nach ihrer Richtung klar voneinander unterschieden sind.

Franz K. Opitz

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